NS-Ordensburg Vogelsang – Wikipedia Quelle: NS-Ordensburg Vogelsang – Wikipedia
Ordensburg Vogelsang Quelle: Bundesarchiv_Bild_146-1985-108-16A,_Ordensburg_Vogelsang

Wie werden Menschen zu Tätern gemacht? Was veranlasst sie zu ihrem Handeln? Ist es möglich seine Moralstufe zu steigern oder in eine niedrigere Stufe zu entgleiten? Warum handeln Inhaftierte so wie sie es tun? Wie können wir im Hinblick auf die Resozialisierung ein Umdenken bewirken oder vor schlechten Einflüssen schützen?

In einer 15-stündigen AG, u.a. anhand des Films „Napola“, sowie anschaulich mit einer Führung durch die ehemalige NS-Ordensburg Vogelsang, wurde verständlich, wie totalitäre Systeme oder Gruppen arbeiten, um ihre unmenschlichen Doktrinen in die Tat umzusetzen bzw. umsetzen lassen.

Die Ordensburg bildete 1936 bis 1939 Junker als Nachwuchs für den NSDAP-Führungskader aus. Schwerpunkte waren sportlicher Drill, wahnhafte Rassenlehre bzw. deutsche Geschichte im Sinne der nationalsozialistischen Ideologie. Es wurde das Gefühl vermittelt, man sei etwas Besseres, wenn man dazu gehöre. Vorherige schulische Leistungen waren bedeutungslos, es zählte ausschließlich die Reinheit der sogenannten „arischen Herkunft“. Durfte man Junker werden, so wollte man den hohen Ansprüchen der selbsternannten Elite genügen. 

Die einen beeindruckte das Pompöse der Burg, das regelkonforme und konsequente Handeln vorgelebt von strengen Offizieren und das Vorleben und spätere Ausführen der Machtausübung. Auch das geschickt arrangierte Zusammengehörigkeitsgefühl durch Rituale, Gesänge und Uniformen trug dem Elitebewusstsein bei. Hinzukamen einmalige Möglichkeiten des Sports wie Reiten, Segelfliegen, Schwimmen sowie eine vielversprechende Zukunft im Kreise der Führungselite in Aussicht zu haben. Diese Angebote beeinflussten und formten das Denken der damaligen jungen Männer. Fanden sie sich in dieses System ein und unterwarfen sich der Hierarchie, befinden sie sich laut Kohlberg in den niederen Stufen und handeln aus Angst um Strafe bei Nichteinhaltung der Regeln und nach eigenen persönlichen Bedürfnissen – ohne Rücksicht auf Verluste.

Bildung, Aufklärung über mögliche Folgen, Empathie wecken, sowie das Spiegeln der eigenen Sichtweise können hilfreich sein, die nächst höhere Stufe zu erreichen und auch alternative Denk -und Verhaltensweisen aufzuzeigen. Auch solche Heranwachsende und junge Erwachsene gab es zur NS-Zeit. Aber es waren viel zu wenige.

Diesen (wenigen) anderen ging es um allgemeine Gerechtigkeit und um das Bekämpfen der Ungerechtigkeiten im Sinne der allgemeinen Menschenrechte. Hier wurde im Film „Napola“ deutlich, dass Jugendliche, die bereit sind das System kritisch zu hinterfragen und Gefühle wie Mitleid bzw. Mitgefühl zulassen, sehr wohl in der Lage sind, nicht blind-gehorsame Täter aus sich machen zu lassen. Auch wenn sie ständig persönliche Nachteile durch die Vertreter des totalitären Regimes in Kauf nehmen mussten und letztlich aussortiert wurden.

In den JVAen hat man es häufig mit Inhaftierten zu tun, die vornehmlich nach ihrem Eigennutz handeln und in erster Linie Anweisungen aus Angst vor Strafen befolgen – in Haft aber auch während ihres vorherigen Lebens in Freiheit. Einige jugendliche Inhaftierte kennen vornehmlich ein Leben in streng hierarchischen Peer-Groups bzw. Gangs.

Auch Inhaftierten kann die Möglichkeit gegeben werden, ihre Tat, die zur Inhaftierung führte und ihr Tun während der Haft zu reflektieren, ihren Antrieb aus dessen die Straftat begangen wurde zu  erkennen, die Sichtweise der Opfer zu verstehen, die Maßgaben ihrer Peer-Group zu hinterfragen, die Autorität des Anführers in Frage zu stellen und vor allem die Bediensteten als gutes Beispiel und Vorbild zu sozial erwünschter Verhaltensweisen sowie einem geregeltem Leben in Straffreiheit wahr- und anzunehmen. All dies kann dazu beitragen, bei verurteilten Straftätern neue Sichtweisen zur „Gerechtigkeit des Verfahrens bei der Entscheidungsfindung“ (Zitat Kohlberg, 5. Stufe) zu eröffnen. Diesbezügliche Erfolge sind nicht selten erkennbar, wenn Berufsgruppen und Fachdienste in diesem Sinne Bereitschaft zur Zusammenarbeit zeigen.

„Niemand wird mit dem Hass auf andere Menschen wegen ihrer Hautfarbe, ethnischen Herkunft oder Religion geboren. Hass wird gelernt. Und wenn man Hass lernen kann, kann man auch lernen zu lieben. Denn Liebe ist ein viel natürlicheres Empfinden im Herzen eines Menschen als ihr Gegenteil.“ (Nelson Mandela)

Lea Kroll und Tobias Schieferstein (JVOS, Anwärter/in)